„Die meisten – und besten – Skulpturen verdanken ihre Entstehung nicht einfach nur der Tatsache, dass ein Künstler einen Gesteinsbrocken, oder einen klumpen Ton aus seiner natürlichen Umgebung herausgenommen und die Form einer vorformulierten Idee gepresst hat, sondern sie sind vielmehr das Ergebnis eines Dialogs zwischen Material und Künstler. Das Material nimmt eine neue Form an, und der Bildhauer gewinnt neue, wesentliche Erfahrungen und neue Erkenntnisse. […]
Diese Transparenz bildet auch die Grundlage einiger meiner in neuerer Zeit entstandenen Skulpturen wie envelope, die versucht, Formen zu verstehen und zu erfahren, die gleichzeitig ihr inneres und äußeres Leben sichtbar werden lassen. In diesen Arbeiten dominieren im inneren Wesen des Werkes begründete Beziehungen über das Trachten nach Ausgewogenheit im Äußeren, und die damit verbundenen Emotionen sind stark und fordernd. Sie bestehen auf einer für die Erfassung der neuen Komplexität unerlässlichen Ausdehnung, machen neugierig, stellen fragen, die die Grenzen von Territorien und Zonen und deren Überschreitung und Verletzung betreffen, ja sogar eine Atmosphäre der Unsicherheit schaffen.
Skulpturen entstehen im Atelier unter Anwendung verschiedener Techniken, basieren aber auf Idee, Gefühlen, Emotionen, Stimmungen und Gesten – eine Mischung aus Methode und Wahnsinn. Ich muss gestehen, dass ich je kaum sagen könnte, wird das Sagen hat – ich oder die Skulptur. Ich denke auch kaum je darüber nach, wie und wodurch meine Werke zueinander in Verbindung stehen. Aber die wenigen Erkenntnisse, die man gewinnt, entwickeln sich aus dem Werk selbst und nicht vice versa. Ich bin mir nicht sicher, ob das als ermutigend gelten kann, aber hin und wieder scheint es mir, als würden die Erkenntnisse, die mir aus meiner Arbeit zuwachsen, mir helfen, die Welt um mich herum, die ich beobachte, ein bisschen zu verstehen, und das stärkt meinen Glauben an die Rolle, die die Skulptur im Leben spielen kann.“
Tony Cragg, Wirbelsäule